Nicht in Seattle

Reisen, Leben und der tägliche Wahnsinn – ein privater Blog

Von Reißverschlüssen und Paracord

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Die Reißverschlussschieber haben ausgedient.

Angefangen hat alles mit meinem neuen Rucksack: Es regt mich tierisch auf, wenn die Schieber der Reißverschlüsse beim Gehen klirren. Neuerdings werden ja gerne so Textilbänder in die Schieber eingeflochten, damit es eine leichte Dämpfung gibt. Gaffa-Tape hatte ich schon mal ausprobiert, funktioniert leider nicht so wirklich gut. Also wollte ich mich auf die Suche machen nach etwas, was man in die Schieber einfädeln kann, damit das Geklapper aufhört.

Damit gab es eine Problemstellung und eine Mission, sehr gut. Schritt eins: googlen. Da war die Ausbeute erst mal gering. Schritt zwei: herausfinden wie die Schieber auf Englisch heißen (Lösung: zipper pull) und noch mal googlen. Da gab es die ersten Ergebnisse. Leider bestehen die Ersatz-Zipper-Pulls, die man so bestellen kann, aus einer Schnur und einem Plastikende. Von einem anderen Rucksack weiß ich, dass das leider nicht so lange hält, daher brauchte ich etwas anderes. Schließlich wurde ich fündig: Ich entdeckte eine Seite von verrückten Kampfequipment-/Outdoorbegeisterten, auf der beschrieben wird, wie man mit einem Band selbst Schlaufen für Reißverschlussschieber basteln kann. Dazu gab es dieses Video:

Mit dabei war sogar eine Variante mit Schrumpfschlauch, geil! Dazu ein bisschen schnippeln und mit dem Feuerzeug spielen, genau mein Ding. Jetzt fehlte nur noch das Band, mal sehen wie das heißt: Paracord 550. Danach gegooglet und… bam, da war sie wieder, die verrückte Parallelwelt. Paracord. Das ganze Internet ist voll mit Paracord! Tausende Videos, Bilder, Anleitungen von outdoorverrückten Menschen.

Ein kurzer Anriss: Paracord wurde ursprünglich als Fallseil bei amerikanischen Fallschirmspringern eingesetzt (man ahnt bereits, warum es so beliebt ist). Es besteht aus einem Mantel und mehreren Kernseilen (in der Regel 7), gefertigt aus Nylon. Paracord 550 ist etwa 4mm dick. Irgendwann hat man entdeckt, dass das Seil super universell einsetzbar ist, so dass man jetzt wohl behaupten kann, es ist das Gaffa-Band der Seile. Damit kann man alles machen, was man im Überlebenskampf im Wald so braucht. Zeltplanen spannen, Sachen befestigen, Angelschnüre bauen, Trageriemen stricken, Schnürsenkel reparieren, etc. Die Enden kann man mit einem Feuerzeug einfach schmelzen und somit versiegeln oder auch mehrere Seile verbinden.

Jetzt kommt das faszinierende: Ich würde behaupten, Männer möchten keinen unnützen Schmuck tragen. Das einzige valide Schmuckstück ist für mich eine Armbanduhr, denn sie hat eine Funktion: Zeit anzeigen. Jetzt gibt es dieses Paracord, das der Inbegriff des Endzeitsurvivals ist (man verzeihe mir das Denglisch), und plötzlich sprießen die Männer-Accessoires nur so aus dem Boden. Man kann damit nämlich nicht nur Sachen befestigen, sondern auch Armbänder basteln, Uhrarmbänder, Schlüsselanhänger, Kameragurte, Griffummantelungen, die oben erwähnten Reißverschlusshelfer, ja sogar Portmonees, Gürtel, Taschen, Murmelbecher… Schmuck? Nein, im Notfall ist das eine zwei Meter lange Paracord-Schnur, mit der ich im Wald eine Falle bauen kann! Man(n) muss für alles gewappnet sein. Es gibt Stricknadeln, mit denen man Paracord besser stricken kann, kein Witz. Es gibt dazu Blogs mit aufwendigen Knoten, Tipps zum Waxen, Strickmustern für verschiedene Armbänder, einfarbig, mehrfarbig, dicker, dünner. Es gibt erfolgreiche Kickstarter-Projekte mit noch besseren Schlüsselanhängern, sogar mit Feuerstein. Natürlich kann man sich die ganzen Produkte auch schon fertig gestrickt kaufen.

Paracord 550, 31 Meter, 7 Adern, 4mm dick
Paracord 550, 31 Meter, 7 Adern, 4mm dick

Ich habe tatsächlich einen Moment überlegt, ob ich mir ein Armband basteln soll. Und mit einem Feuerstein dabei könnte man ja auch… Nein, reiß dich zusammen. Es ging mir ja um die Reißverschlussschieber. Also flux knapp 30 Meter Paracord bestellt (Amazon-Partner-Link). Die Schieber meines Rucksacks und einer Reisetasche habe ich dann wie im Video entfernt und mit einem netten einfachen Paracord-Knoten ersetzt. Hält, sieht gut aus, macht keinen Lärm. Fein. Das ganze sieht am Ende so aus:

Paracord Zipper Pulls
Paracord Zipper Pulls

Jetzt habe ich noch 29 Meter Paracord übrig, mal schauen, was ich damit noch alles anstelle. Als nächstes ist erst mal ein neuer Schlüsselanhänger dran. :)

Epilog

Schaut man sich die ganzen Paracord-Videos an, kommt man nicht drum rum sich auch noch andere Outdoor-Videos anzuschauen. Viele von denen fangen mit einem verlockenden »bloß nicht nachmachen!« an. Nachdem ich mir noch Infos zu Seilen durchgelesen habe (es gibt auch Reepschnüre, was ist denn da schon wieder der Unterschied? Aha, die Elastizität), zu Karabinern (nein, man kann nicht mit jedem Karabiner klettern), zum Bushcraften (so heißt das Hobby dazu, hier ein netter Channel), zu Knotentechniken, Abseilen, Aufsteigen, mit und ohne Seil, Abseilen mit Paracord (niemals nachmachen!) und Abseilen vom Balkon eines brennenden Hochhauses bin ich jetzt theoretischer Kletterexperte. Ob das alles so stimmt, probier ich dann mal in einem Praxissemester ab Herbst oder so aus, wenn ich bis dahin nicht schon wieder alles vergessen habe.

Drei Kommentare

  1. Das ist so über die Maßen fantastisch! Einfach nur geil, das Thema.

    Mich beschleicht derweil eine Angst, dass ich keinen Rucksack mehr tragen kann, ohne auf das Klimpern der Reißverschlüsse zu achten.

  2. Episch wenn man 5 Jahre später seinen eigenen Kommentar hier wieder-entdeckt und immer noch am überlegen ist, ob man das mit den eigenen Rucksäcken jetzt auch macht oder nicht 😆

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